Hinterm Horizont

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Hinterm Horizont

Husum – Hans Pahl-Christiansen steht mit beiden Beinen fest im Leben und auf dem Boden der Tatsachen. „Es gibt Grenzen“, sagt er mit Blick auf die Bewohnerinnen und Bewohner seiner Einrichtung. „Grenzen negieren hilft niemandem.“ Und dennoch: Die Einrichtung heißt „Husumer Horizonte“, dafür hat Pahl-Christiansen gekämpft. Die Grenze ist der Horizont. Und danach geht es weiter, „immer weiter“, wie Udo Lindenberg singt. Und das ist typisch für den 60-Jährigen: Realistisch bleiben und dennoch utopisch denken. Jetzt lässt sich die Einrichtung gemeinwohl zertifizieren. Und es ist, als ob Puzzle-Teilchen an den Platz fallen, der für sie bestimmt ist.

Man muss auch träumen dürfen

„Es ist ein Traumjob“, sagt der Sozial-Pädagoge. Er muss es wissen, denn er hat einiges ausprobiert. Bevor er 2011 im Kirchenkreis Nordfriesland anfing, hat er einige Stationen durchlaufen: Angefangen hat er im Landeskrankenhaus Schleswig, dann arbeitete er mit psychiatrischen und suchtkranken Patienten in Rendsburg, war beschäftigt bei der Husumer Insel und sogar bei Kosoz, das ist die Koordinierungsstelle für soziale Hilfen, das bisweilen gefürchtete Gegenüber für die Aktiven in der Sozialen Arbeit. Denn hier werden Pflegesätze verhandelt, hier werden Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen, werden Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen vollzogen. „Das war toll“, sagt Hans Pahl-Christiansen und strahlt. Es war mehr als nur ein interessanter Einblick in die andere Seite. Dem Pädagogen ist an Wirtschaftlichkeit gelegen, er führt seine Einrichtung verantswortungsbewusst, und das Haushaltsvolumen von 6 Millionen Euro schreckt ihn nicht. Realistisch muss man bleiben. Aber man muss auch träumen dürfen.

Gemeinwohl-Ökonomie: Es geht um Werte

Gemeinwohl-Ökonomie ist mehr als nur ein Traum. Es ist ein neues Wirtschaftsmodell. Dabei geht es nicht mehr um Wachstum und Profit, vielmehr orientiert sich dieses Modell am Gemeinwohl, an Menschenwürde, Solidarität, an ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Mitbestimmung. Die Husumer Horizonte sind im Prozess der Zertifizierung. Das bedeutet: Die Mitarbeitenden klopfen jeden Arbeitsbereich nach diesen Kriterien ab. Sie fragen: Wo kommt das Putzmittel her und wo der Fußbodenkleber, und wie sind die Beschäftigungsverhältnisse dort? Wo beziehen wir unsere Lebensmittel, und wie sind unsere Fahrzeuge unterwegs? Die Gemeinwohl-Matrix bezieht Lieferanten, Finanzpartner, Mitarbeitende und das gesellschaftliche Umfeld genauso in die Überlegungen ein wie die Kunden, in diesem Fall Bewohner der Einrichtung und deren Angehörige. Das ist aufwändig, und es führt zu Fragestellungen, die es bisher nicht gegeben hat. „Ich finde es großartig“, sagt Hans Pahl-Christiansen. Endlich passt alles zusammen: Seine Verantwortung für ein großes Unternehmen und sein privates Engagement als Politiker der Grünen, sein Sinn für Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung, sein gelebter Glaube und die Kirche als Arbeitgeber. „Ich möchte weg von der fiskalischen Qualitätsmessung“, sagt er. Bei der Gemeinwohl-Ökonomie geht es um Werte, und genau das braucht unsere Welt jetzt.

Ein neues unternehmerisches Prinzip

Hinterm Horizont geht es weiter – das kann auch anstrengend sein. Das bedeutet schließlich, Grenzen immer neu auszuloten und immer neu zu entdecken, was denn dahinter kommen könnte. So ist auch die Gemeinwohl-Zertifizierung nichts, was einmal fertig ist und in die Schublade oder als Urkunde an die Wand kann. Sie wird zum unternehmerischen Prinzip, hinterfragt sich ständig neu, lässt sich auch immer neu überprüfen. Sie ist ein dynamischer Prozess. Und genau das mag Hans Pahl-Christiansen. Beruflich ist er angekommen. Aber das bedeutet keineswegs, dass er sich ausruht und gute Dinge gut sein lässt.

Den nächsten Schritt wagen

Denn genauso geht er auch mit seinen Bewohnerinnen und Bewohnern um. Sie haben geistige und körperliche Einschränkungen, gewiss. Die gilt es wahrzunehmen und zu respektieren. Aber diese Einschränkungen sind keine unverrückbaren Grenzen. Vielleicht geht noch etwas, wenn man es versucht. Was ist hinter dem Horizont, den die Gesellschaft allzugerne mit der Kategorie „behindert“ festsetzt? Freiheit und Menschenwürde sind keine Selbstverständlichkeit, und auch sie sind kein Zertifikat, das sich fein im Bilderrahmen an die Wand nageln ließe. Freiheit und Menschenwürde realisieren sich immer neu da, wo Menschen den Horizont sehen und sich trauen, den nächsten Schritt zu wagen.

“Anders handeln beginnt für mich damit, dass wir uns selbst auf die Schliche kommen und ehrlich mit uns sind”, sagt Hans Pahl-Christiansen. “Das Handeln ist dann die einfach die Folge, finde ich.”

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